ALVIN

 
[ 4 ]
 
Unglück im Glück
 
roger
4.10.01
Schwarz. Still. Still? Nein, ganz weit entfernt: Beep -- Beep. Ein müdes Schnaufen, wie wenn jemand bei dem Versuch, ein Gummiboot aufzupumpen, einschlafen würde. Und dann wieder still.
Es war, als ob sie ertrinken würde, doch es hörte nie auf. Sie klammerte sich mit aller Kraft an die vage Empfindung von Schmerz. Es schien eine Ewigkeit zu dauern. Und wieder tauchte sie in das Meer der Bewusstlosigkeit.
Durch das Fenster drangen die ersten Sonnenstrahlen und trafen Melanies zerkratztes Gesicht. Mit einem leisen Seufzen öffnete sie die Augen. Undeutlich sah sie jemanden, der sich über sie beugte. Sie spürte etwas warmes auf der linken Hand. Sie versuchte sich aufzusetzen. Zuerst war es ihr nicht aufgefallen, doch nun stieg Panik in ihr hoch. "Nicht...".
Alvin sass schon die ganze Nacht neben dem Bett. Er machte sich grosse Sorgen. Natürlich war er sofort nach Kanada gereist als er vom Unfall gehört hatte.
Sie war mit dem Velo auf dem Heimweg von der Arbeit. Es regnete und Melanie spürte, wie die Tropfen ihr Gesicht trafen. Die nassen Hosen liessen sie frieren. Natürlich hätte sie das Velo zuhause gelassen und wäre mit dem Bus zur Arbeit, wenn es am morgen schon geregnet hätte, doch die spätsommerliche Morgensonne lud sie förmlich dazu ein. Und wer hätte geahnt, dass irgend so ein besoffener Idiot sie anfahren würde?
"Sag mir, dass es nicht wahr ist! Sag es!" Die Stimme seiner Mutter zitterte. Alvins Blick traf sich mit dem seiner Mutter. Das Entsetzen, das er darin sah, war einfach zu viel für ihn und er senkte seinen Blick. Er fühlte sich so hilflos.
Die Ärzte sagten, sie könne nie mehr gehen und werde ein Leben lang an den Rollstuhl gefesselt sein. Irgendetwas musste doch zu machen sein. Er würde den besten Spezialisten finden.
Er wollte sprechen, doch seine Stimme versagte ihren Dienst. Er schloss die Augen. Nach einer Weile hörte er ein leises Schluchzen und seine Augen begannen zu brennen.

 
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