ALVIN

 
[ 7 ]
 
Endlich Ich
 
andreas
25.10.01
Alvin sass wieder im Bus, die gleiche Linie, selbst die Richtung war die gleiche, wie wenn nichts geschehen wäre, als ob die Wochen im Spital ein Teil einer anderer Realität waren. So, als ob nicht er das erlebt hätte.
Es hatte sich nichts geändert, ausser vielleicht, dass ein Mann hinter dem Steuer sass. Auch das Plakat hatte er schon mehrfach gesehen, der grosse raue Mann, Individualist, kümmert sich um nichts.
Mit '..das kann ich mir jetzt leisten..' meldete sich ein tief vergrabener Wunsch in Alvin, so zu sein wie kein anderer. Jetzt steht nichts mehr zwischen mir und meinem wahren Ich, ich kann mir mein Mich jetzt endlich gönnen. Die Freude dieser Erkenntnis sprudelte in ihm hoch. Er fühlte sich wie in der Werbung '... verleiht Flüüüügel ...'
Er wusste genau, wie er seine Individualität realisieren würde. Wie oft hatte er mit Verlangen die Bilder gesehen.
Ein BMW, der Z3, Cabriolet, dunkelgrün, das war Individualität pur, das Abbild seiner Seele.
Den Weg zum Händler, den kannte er. Und wie er behandelt wurde, in seinem neuen weissen Anzug, massgeschneidert. Den Wagen wollte er schnell.
Ohne Wartezeit gab's den in Hellblau. Passte irgendwie noch besser zum Anzug, der Händler war sich dessen ganz sicher. Als er mit dem Flitzer aus der Garage rollte, fühlte Alvin, dass er nun in seiner Seele sass, in seinem eigentlichen Selbst. Endlich Er.
Und es würde so weiter gehen, er würde sich alles gönnen, was wirklich ihm gehörte, was Teil seiner selbst war. Eine Yacht vielleicht? Eine Ferienresidenz auf Guadeloupe?
Er wusste, dass Rita am Mittwoch nach der Arbeit im Gran Café sass, ihren Bananen Shake vor sich. Das Limmatquai, da konnte er an ihr vorbeigleiten. Er würde sie nicht beachten, nicht bei der ersten Passage, er würde nur cool lächelnd geradeaus schauen. Hinter dem 15er an der Haltestelle staute sich der Verkehr, es dauerte. Es war schwer, den Kopf nicht zu drehen, dauernd zu lächeln, cool zu sein, Individualist. Er sah nur aus dem Augenwinkel, dass der Z3 dunkelgrün war, und es war Paul, der am Steuer sass.

 
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