ALVIN |
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[ 8 ] |
Gedankenblitz und Seelengewitter |
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thomas 25.10.01 |
Paul, dieses miese Schwein, das ihm schon damals bei jenem Mädchen zuvorgekommen war, welches ihn hätte glücklich machen können. Blitzartig tauchten Bilder auf von früher, von der Zeit, als er noch arm war und auch unglücklich, aber noch nicht desillusioniert genug, um nicht mehr an eine positive Wende in seinem Leben zu glauben. Fünf Jahre ist es nun her. Da war dieses Mädchen, Madelaine, an die er immer denken musste, wenn er "something in the way she moves..." hörte und mit dem er sich zum Rendez-vous hatte treffen wollen. Fünf Jahre ist es her, aber in diesem Moment wurde die Geschichte wieder lebendig, sie ergriff Alvin mit derselben Intensität, mit der er damals gelitten hatte, als er Paul mit seiner Madelaine im Park rumturteln sah, kurz vor dem geplanten Rendez-vous. Mit seiner Madelaine, mit der er sich ein Leben hätte vorstellen können, nicht so, wie er es sich gelegentlich mit Frauen hätte vorstellen können, mit denen er noch nie in Kontakt getreten war und die ihm irgendwo zufällig begegneten und sein Inneres aufwühlten. Nein, kein solch verschwommenes Phantasie-Leben, kein Mix aus Pornofilm und Hollywood, sondern ein reales Leben, eine gute Beziehung, die alle Hochs und Tiefs überlebt hätte, mit Kindern und eigenem Gemüsegarten auf dem Pöstler-Freizeitareal vielleicht, mit Ferien im Tessin in einem betriebseigenen Genossenschaftshäuschen und mit gemeinsamen Fernsehabenden. All dies hätte sein können, und auch das Rendez-vous hätte stattgefunden, wenn Alvin nicht - versteckt hinter einer Thuiahecke - gehört hätte, wie der Paul, dieses Herrensöhnchen, das schon als Baby den Arsch mit Tausendernoten abgewischt gekriegt hatte, seine Madelaine ins Chez Max eingeladen und gemeinsame Ferien in der Karibik vorgeschlagen hatte und, was dem Fass den Boden sprengte, dann auch noch vernehmen musste, wie Madelaine "Oh Paul" sagte, und wie dann eine unendlich lang erscheinende Stille eintrat, die nur durch leise Schmalzlaute unterbrochen wurde. Ja, genau an diesem Tag war es, als Alvin sich geschworen hatte, auch zu Geld zu kommen; seit diesem Tag spielte er Lotto. Und nun hatte die Glücksfee also auch bei ihm zugeschlagen, nur hatte er immer noch keine Frau und Paul immer noch das "Modell", das er eigentlich hätte haben wollen. Seinen in der Meditationsstunde eingeübten Loslass-Mechanismen gehorchend liess sich Alvin nicht weiter in die drohende Tiefe reissen sondern er konzentrierte sich kurz auf seinen Atem, löste bei jedem Ausatmen ein Stück Erinnerung im Nichts auf und war schon bevor das Lichtsignal wieder auf grün wechselte bereit, dem Leben mit Interesse und dem grünen Z3 mit Ignoranz zu begegnen. Angespannt fröhlich fuhr er weiter Richtung Escher Wyss Platz, wo in Kürze im Moods ein Konzert mit Jim Hall stattfinden würde; vielleicht traf er dort ein paar Freunde... |
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