ALVIN

 
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Alvin im Blick
 
wägi
12.11.01
"Ziemlich gross", sagte Julika zu der Bedienung. "Landeier eben", murrte die Frau. Eigentlich wollte sie nur den flüchtenden Prügelmillionär unauffällig im Auge behalten. Sie war ihm bis in den Landgasthof "Zum heiteren Kalb", in einem kleinen Weiler ausserhalb Sargans gefolgt. Um in der menschenleeren Dorfknelle nicht aufzufallen, hatte sie ein kleines Omlett bestellt. Und nun diese Landeier-Portion. Ihre Slimfast-Hüften lassen grüssen: machen alles ziemlich schnell schlimm.....
"Anyway...back to business", dachte sie und kaute auf dem gelblich-braunen Landei. Bisher lief ja alles gut, sie konnte sich nicht beklagen. Sie war - soweit sie gesehen hatte - die einzige, welche die Spur des Flüchtigen hatte halten können. Nun musste sie, Julika Walraff geborene Tschudy, kleine Teilzeit-Blick-Reporterin, nur noch etwas Heisses über diesen Postboten herausfinden. Irgendwas.
Alvin Richard Brunschwiler, 31 Jahre. Ledig. Reformiert. Single. Lottomillionär. Aus einfachen Verhältnisse stammend. Abgebrochene Mechanikerlehre. Dann bei der Post. Keine Weibergeschichten. Keine Strafzettel. Nichts blick-taugliches. Natürlich bis auf die kleine Eskapade von vorgestern im Moods. Was wollte sie über den Wurm herausfinden?
Sie beobachtete ihn nun schon seit einer halben Stunde. Er las immer noch in einem Buch, dass er am Bahnhofkiosk Sargans gekauft hatte. Nichts Aufregendes war passiert. Was las er so konzentriert? Der Einband des Buches war ganz in schwarz...still...Stiller!
Und plötzlich ganz nah: Beep -- Beep, ihr Handy klingelte. Ein müdes Schnaufen, wie wenn jemand bei dem Versuch, ein Gummiboot aufzupumpen, einschlafen würde. Und dann wieder still. Das war Anatol Weiss. Ihr kari-asthmatischer Chefredaktor wollte sich nach "seiner Story" erkundigen. "Seine Story". Nur weil der kleine Postbote ausgerechnet IHM, eins über die modisch-kahle Rübe gezogen hatte, erklärte er die mediale Vernichtung des Lottomillionärs zur Chefsache. "Ganz ruhig, Anatol. Ich krieg das schon hin", sagte sie und legte auf.
Nur wie? "Ich bin nicht Julika", sagte sie sich trotzig. Ich bin Günther, mit zwei l. Der grosse Günther. Ich schreib die Story meines Lebens und krieg einen festen Job beim Blick oder beim Tagi.
Plötzlich wurde sie durch eine Stimme aus ihren Gedanken gerissen. Alvin stand vor ihrem Tisch und fragte: "Kann ich mich zu Ihnen setzen?".

 
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